Künstliche Intelligenz spaltet die Nachhaltigkeitswelt: Während die einen von enormen Effizienzgewinnen sprechen, warnen andere vor dem Energiehunger großer Sprachmodelle. Wie lässt sich KI verantwortungsvoll im Rahmen einer ESG-Strategie einsetzen? Welche konkreten Potenziale ergeben sich und wie verändert sich dabei die Rolle der Nachhaltigkeitsverantwortlichen?
Im Gespräch mit Jan Borchert (Chief Sustainability Officer) und Saša Redžepović (Senior Data Scientist) beleuchten wir den Einsatz von KI bei Planted und zeigen, wie Unternehmen den Spagat zwischen ökologischer Wirkung und technologischem Fortschritt erfolgreich meistern.
Die Ambivalenz verstehen: Chance oder Risiko?

Jan, du berätst als CSO täglich Unternehmen zu Nachhaltigkeitsstrategien. Wie stehst du zum Einsatz von KI im Nachhaltigkeitskontext?
Jan: Als Nachhaltigkeitsverantwortlicher denke ich bei KI zunächst an Emissionen und Ressourcenverbrauch. Große Sprachmodelle verschlingen tatsächlich immense Energie. Das fühlt sich erstmal nicht nachhaltig an.
Gleichzeitig sehe ich das riesige Potenzial für einen gezielten, verantwortungsvollen Einsatz. Es geht nicht um „KI oder Nachhaltigkeit", sondern darum, wie KI Unternehmen dabei unterstützt, nachhaltige Ziele schneller und effizienter voranbringen zu können. Der Impact ist das Entscheidende: Wenn KI tausenden Unternehmen hilft, schneller CO₂ zu senken und ESG zu operationalisieren, dann überwiegt der positive Effekt bei weitem.
Das klingt nach einer pragmatischen Herangehensweise. Wo siehst du konkret die größten Potenziale?
Jan: Studien zeigen, dass KI die Treibhausgasemissionen sowie den Ressourcen- und Energieverbrauch signifikant senken kann, indem zum Beispiel Prozesse oder Lieferketten optimiert werden. Im besten Fall sehen Unternehmen diese Einsparungen direkt in der Bilanz als Return on Impact.
Saša, aus technischer Sicht: Welche konkreten Anwendungen siehst du?
Saša: KI ermöglicht es uns, proaktiv zu agieren statt nur zu reagieren. Wir können Frühwarnsysteme für ESG-Risiken entwickeln – etwa für Klimarisiken oder Lieferkettenprobleme. Das bedeutet: Unternehmen können Veränderungen in Echtzeit erkennen und sofort gegensteuern, statt Monate später in Berichten davon zu lesen.
Die Risiken im Blick behalten
Gleichzeitig bringt KI auch Herausforderungen mit sich …
Jan: Absolut. Wir dürfen die Umweltauswirkungen von KI nicht ausblenden: ein hoher Energieverbrauch durch Training und Betrieb, der Wasserverbrauch durch Kühlung der Rechenzentren und mehr Elektroschrott durch häufigere Hardware-Wechsel.
Saša: Neben den Umweltauswirkungen müssen wir auch den rechtlichen Rahmen beachten. Der EU AI Act fordert Transparenz, Ethik und Nachvollziehbarkeit bei KI-Entscheidungen und setzt Standards für Bias-Erkennung. Gleichzeitig muss der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet sein. Wer KI einsetzt, muss diese Regularien von Anfang an mitdenken und nicht erst nachträglich.
Konkrete Umsetzung: Was bedeutet „verantwortungsvoller KI-Einsatz"?
Was bedeutet „verantwortungsvoller KI-Einsatz“ ganz konkret für Unternehmen?
Jan: Ganz einfach gesagt: Du brauchst eine Strategie. Wer KI nutzt, muss klare Regeln definieren: Welche Daten werden genutzt? Wer trägt die Verantwortung für die Ergebnisse? Wie wird Bias erkannt und adressiert? Und vor allem die KI-generierten Ergebnisse nochmal prüfen: Der Mensch bleibt die letzte Instanz. Dabei begleiten wir auch alle Unternehmen, die unsere KI-Funktionen nutzen.

Saša, was sind die wichtigsten strukturellen Anforderungen?
Saša: Um KI verantwortungsvoll zu nutzen, sollten Unternehmen einige grundlegende Punkte beachten:
Erstens, der verantwortungsvolle Umgang mit Daten. Zweitens, Schulungen. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Mitarbeitenden schulen, damit sie verstehen, wie KI funktioniert und wie sie als Unterstützung genutzt wird – nicht als Bedrohung. Drittens, der Energieverbrauch. KI kann ressourcenintensiv sein, daher sollten Unternehmen auf effiziente Infrastruktur setzen, wie grüne Cloud-Dienste und optimierte Modelle.
Und nicht zuletzt: Transparenz. Die Entscheidungen der KI müssen nachvollziehbar und erklärbar sein, damit der Mensch immer die Kontrolle behält und verstehen kann, wie die KI zu ihren Ergebnissen kommt.
Wie stellt Planted sicher, dass KI verantwortungsvoll eingesetzt wird?
Saša: Bei Planted sehen wir KI als ein wirksames Werkzeug, das Unternehmen dabei helfen kann, Nachhaltigkeit schneller und effizienter umzusetzen. Gleichzeitig sind wir uns der Verantwortung bewusst, die der Einsatz dieser Technologie mit sich bringt – insbesondere in Hinblick auf Datenschutz, Energieverbrauch und gesellschaftliche Akzeptanz.
Unsere KI soll nicht ersetzen, sondern befähigen. Sie unterstützt Nachhaltigkeitsverantwortliche, ihr Wissen und ihre Wirkung zu steigern. Dabei achten wir darauf, dass KI bei Planted nicht als Blackbox agiert, sondern nachvollziehbar bleibt.
Jan: Wir setzen KI gezielt dort ein, wo sie echten Mehrwert bietet. Zum Beispiel bei der Identifikation von IROs (Impact, Risks, Opportunities). Hier spart KI Unmengen an Stunden und identifiziert die wichtigsten IROs maßgeschneidert für Unternehmen in Minuten. So können Unternehmen ihre ESG-Strategien schneller und präziser umsetzen.
Die Rolle der Zukunft: Vom Berichterstatter zum Strategen
Jan, was denkst du, welchen Einfluss wird KI in Zukunft auf die Rolle von Nachhaltigkeitsverantwortlichen haben?
Jan: Die Rolle wird sich ändern. KI ermöglicht eine datengetriebene Entscheidungsfindung, sodass Nachhaltigkeitsverantwortliche zunehmend zum Datenmanager und Analysten werden. Sie nutzen KI-gestützte Tools für Monitoring, Reporting und Prognosen, um effiziente ESG-Strategien zu entwickeln.
Mit KI und der Möglichkeit, größere Datensets verständlich zu machen, wird auch das Thema Return einfacher dargestellt – also die Frage, wie viel Geld ein Nachhaltigkeitsmanager eigentlich für das Unternehmen mit seinen Aktivitäten erwirtschaftet. Der Wert von Nachhaltigkeit wird aus ökonomischen Gründen künftig stark ansteigen, insbesondere profitieren davon Unternehmen, die bereits heute nachhaltige Initiativen begonnen haben.
Das klingt nach einer strategischen Aufwertung der Rolle ...
Jan: Genau. Die Rolle entwickelt sich von einer traditionellen Berichts- und Kontrollfunktion zu einer strategischen Steuerungsposition. Wer KI versteht und verantwortungsvoll einsetzt, kann die Nachhaltigkeitsagenda wieder mitbestimmen statt nur zu dokumentieren, was andere entschieden haben.